Besuch aus Haiti
Am 25. Mai 2024 besuchte Edith Cesaire, geb. Gerlach, unsere Holzland-Gemeinschaft in Thüringen. Edith wurde in Halle geboren und hat einen spannenden, herausfordernden und inspirierenden Weg hinter sich. Nach einer Ausbildung zur Schneiderin fand Edith 1993 eine Stelle in einem kleinen Unternehmen im hessischen Alsfeld, etwa 100 km nördlich von Frankfurt, das Berufsbekleidung herstellt. Als das Unternehmen 2003 von einem großen Konzern aufgekauft wurde, brachte dies Edith dazu, über den Sinn ihres Lebens nachzudenken: Sollte sie weiterhin einfach nur ihren 8-Stunden-Tag arbeiten und mit ihrem Lohn nach Hause gehen? Was wäre der Sinn eines solchen Lebens?
Sie fühlte sich gerufen ihre Fähigkeiten in der Arbeit mit Kindern einzusetzen, und betete zu Gott um Führung. Im Mai 2004 besuchte sie eine christliche Konferenz in Giessen. Als sie sich vorstellte, erzählte sie einer Frau, dass sie Näherin sei, und bekam zur Antwort: „Das ist erstaunlich, ich kenne eine Organisation in Haiti, die eine Schneiderin sucht.“
Eines führte zum anderen und 2006 fand sich Edith in Haiti. Diese Organisation hatte unterdessen zwar schon eine Schneiderin gefunden, und bat sie stattdessen die Büroarbeit zu übernehmen. Edith war ganz einfach bereit dazu.
Aber schon bald unterrichtete sie in Port-au-Prince Mädchen im Nähen. Während dieser Zeit sah sie oft einen Mann am Fenster vorbeigehen und hereinschauen, - ein halbes Jahr später waren die beiden verheiratet, so erzählt es Edith. Ein schweres Erdbeben verhinderte beinahe die Hochzeit von Lukensen und Edith und sie hatten nur eine schlichte Zeremonie in Haiti.
Im Jahr 2013 gründeten die beiden eine christliche Schule in Kay Latou, einem abgelegenen Dorf hoch oben in den Bergen von Haiti. Nach und nach entsteht so ein Bildungszentrum mit Kindergarten, Grundschule, weiterführender Schule und Lehrgängen für Handwerksberufe. Die Produktion von Lebensmitteln, sowohl Gemüse als auch Fleisch, zur Versorgung der Schüler und Lehrer ist Teil des Projekts. Auch eine Krankenstation ist geplant.
Haiti ist seit Jahrzehnten ein instabiles Land, doch die Ermordung von Präsident Jovenel Moïse im Jahr 2021 hat das Chaos nur noch vergrößert und ein Machtvakuum geschaffen. In jüngster Zeit hat die Bandengewalt den derzeitigen Präsidenten Ariel Henry zum Rücktritt gezwungen, um eine Übergangsregierung zu bilden. In den Straßen liegen seither die Leichen der Opfer von Bandenüberfällen.
2018 waren Lukensen und Edith zuletzt im Ausland gewesen und planten nun eine Deutschlandreise für Anfang 2024. Ihre Abreise mussten sie wegen der Bandenkriminalität sehr sorgfältig planen. Sie fuhren einen großen Umweg, um von einem anderen Flughafen aus nach Port-au-Prince zu fliegen, dort reinzukommen und von dort nach Deutschland auszureisen. So kamen sie in Deutschland an, bevor im März 2024 der Flughafen in Port-au-Prince von den Banden beschlagnahmt wurde. Deswegen konnten Edith und Lukensen bis jetzt noch nicht zu ihren beiden Kindern und ihrer Arbeit in Kay Latou zurückkehren.
Es ist erstaunlich, dass die Schule dort noch in Betrieb ist und hauptsächlich von jungen Frauen weitergeführt wird, die ursprünglich Ediths Schülerinnen in Port-au-Prince waren. Sie strahlen trotz der großen Gefahr Freude und Frieden aus.
Alles was Edith und Lukensen uns von der Armut und dem Chaos im Land erzählten, erstaunte und erschütterte uns tief. Wir beteten mit und für sie um Gottes Eingreifen in diesem leidenden Land und dass sich sichere Wege für die Rückkehr der Beiden öffnen, damit sie die Arbeit mit den Kindern fortsetzen können. Edith hat Gottes Führung nach Haiti und zu den Kindern schon einmal erlebt und vertraut, dass sich die Türen zur Rückkehr wieder öffnen. Das ist auch unsere Hoffnung und unser Gebet.