Ostern ist vorbei, und das Aprilwetter ist eingezogen. Der Alltag hat mich wieder. Ostern ist aber erst eine Woche her! Sollte ich nicht einen kurzen Moment Luft holen, anhalten, atmen und darüber nachdenken, bevor ich mich wieder ins Leben stürze? Ich denke an die Jünger von Jesus und die vielen Gedanken, die ihnen in dieser Woche nach Ostern durch den Kopf gegangen sein müssen.
“Was ist gerade passiert?" "Wie können wir das verstehen?” Und ich? Nehme ich mir die Zeit, zu begreifen, was das alles bedeutet?
Ihr Weltbild muss auf dem Kopf gestanden haben; genauso sollte auch mein Weltbild nach dieser Osterwoche auf den Kopf gestellt sein.
Wenn ich an die Jünger denke und an das was sie erlebt haben, denke ich auch an unsere Osterwoche zurück und das was wir als Gemeinde erlebten.
Der Gedankenwirbel beginnt:
“Hosanna, Hosanna!" Singend laufe ich mit den anderen die Straße entlang. Kinder halten Weidenkätzchen in der Hand. Ich stelle mir vor, dass ich den Einzug in Jerusalem vor 2000 Jahren erlebe. “Hosanna, Hosanna!” Die Begeisterung in den Augen der Kinder ist so echt. "Hosianna, der Sohn Davids!" Tausende von Menschen singen, tanzen und werfen ihre Mäntel vor die Füße des Esels.Ich schwenke meinen Palmzweig und ehre den König. Ich singe "Hosanna!".
Aber nicht einmal eine Woche später wird Jesus verurteilt. Dieselbe Menschenmenge schreit “kreuzigen”. Die engsten Jünger lassen Jesus in der dunkelsten Stunde allein. Ganz allein.
Und ich? Ich distanziere mich von dieser Menschenmenge. Ich rede mir ein, dass ich anders handeln würde. Ich würde doch nicht erst "Hosianna" und dann "kreuzigt ihn" rufen.
Wir sind doch nicht so. Ich wäre doch anders.
Aber wir sind Menschen, und die Ostergeschichte zeigt das deutlich. Ich denke an die Geschichte von Judas. Es muss für die Jünger schwer gewesen sein, zu verstehen, was geschehen war. Und für uns ist es genauso schwierig. Was brachte Judas dazu, Jesus zu verraten? Niemand kann dies vollständig beantworten oder begreifen, und nur Gott kann es beurteilen. Aber mir gehen diese Gedanken durch den Kopf.
Bevor Judas Jesus verriet, war er einer der 12 Jünger. Jesus hatte ihn gewählt. Judas war gefolgt. Judas musste vorher von den Jüngern respektiert worden sein, denn er war mit der Verwaltung des Geldes für die Gruppe betraut worden. Es fällt uns schwer, einen anderen Judas zu sehen als den, der seine Hände um den Geldsack geschlungen hat. Wir sehen nicht den Judas, der sein altes Leben verlassen hat, um Jesus zu folgen. Wir sehen selten, wie sehr Judas uns gleicht.
Judas kannte Jesus von Anfang an, und jeder, der ihn gesehen hatte, hätte gesagt, dass er einer der treuesten Jünger Jesu war. Was aber hat ihn zum Verräter gemacht? Was brachte ihn dazu, seinen Herrn zu verraten?
Judas wurde das Geld der Gruppe anvertraut. Im Laufe der Zeit schien Jesus jedoch nicht mehr auf Geld zu achten. Einige seiner Finanzentscheidungen schienen sogar “unverschämt” zu sein. Judas kümmerte sich um die Bilanz, und als Maria das Parfüm über Jesu Füße goss, erhob er Einspruch.
Aber war es nur das Geld, das Judas dazu brachte, Jesus zu verraten? Jesus war ein Radikaler. Aber er stürzte das Römische Reich nicht; er vergab Sünden. Er machte sich selbst nicht zum König; er wusch die Füße seiner Jünger. Er wurde kein politischer Führer; er kam für die Armen und die Sünder. Seine Botschaft war eine andere, wie Johannes schreibt:
Als Jesus erkannte, dass sie kommen würden, um ihn mit Gewalt zu ergreifen, um ihn zum König zu machen, zog er sich wieder auf den Berg zurück. (Johannes 6:15)
Jesus zeigte eine andere Welt ohne Macht, Politik und Geld. Dies hat Judas beunruhigt. Daniel Darling schreibt in seinem Buch The Characters of Easter:
"Als Revolutionär und Nationalist sah Judas in Jesus eine Erfüllung für seine eigenen politischen, sozialen und persönlichen Wünsche. Es scheint, dass Judas sich früh in die Jesus-Bewegung einkaufen wollte, um vielleicht der Schatzmeister in einem neuen irdischen Reich zu sein. Aber der Beutel wurde immer leichter und Jesus machte alle falschen Züge für jemanden, der eine Bewegung aufbauen und die ungerechte römische Besatzung stürzen sollte."
Zu schnell distanzieren wir uns von Judas. Ich würde das nicht tun? Ich würde Jesus nicht verraten. Aber selbst Petrus hat den Herrn in dieser Nacht im Stich gelassen.
Aber am meisten fällt mir dabei die Demut des Petrus auf.
Keiner der Jünger war dabei, als Petrus Jesus verleugnete. Er muss diese Geschichte den Jüngern erzählt haben und ihnen seinen verletzlichsten Moment offenbart haben. Ein Moment, der seither in der Geschichte der Menschheit immer wieder erzählt wird und die Herzen von Millionen von Menschen berührt. Daniel Darling fährt fort:
Vor allem aber zeigt uns die Verleugnung des Petrus etwas über den Erlöser. Jesus wandte sich in einem Moment extremer Qual und persönlicher Scham um und blickte voller Mitleid auf seinen Freund, der ihn gerade verleugnete. "Als wir noch Sünder waren, ist Christus für uns gestorben" (Röm. 5:8). Er ging nicht für perfekte, heile Menschen ans Kreuz. Er starb für die Kranken und Gebrochenen. Er starb für dich und mich. Jesus hatte zu Petrus gesagt: “Aber ich habe für dich gebetet, Simon, damit dein Glaube nicht aufhört. Und wenn du umkehrst, so stärke deine Brüder." Lukas 22,32
Jesus hatte das Versagen von Petrus durchschaut und er durchschaut auch unser Versagen. Auch wir gehören zu der Menge, die Jesus verspottet. Auch wir, leugnen Jesus zu kennen. Wie oft folgen wir Jesus, nur so lange es gut geht, so lange der Geldbeutel noch voll bleibt. Wir brauchen Jesus jedoch immer zu aller zeit in allen Situationen. Das zeigt uns die Auferstehung.
Petrus wurde zum “Fels” der Gemeinde, und das nicht aus seiner persönlichen Macht oder Kraft. Er muss auch sanft und demütig gewesen sein, denn er hat den Anderen gezeigt, dass er auch nur ein Mensch ist. Petrus wurde zum Fels der Gemeinde, weil er die wahre Bedeutung der Auferstehung begriffen hat.
In meinem Gedankenkarussell bin ich endlich am Ostersonntag angelangt. Dieser Tag ist sehr bedeutsam für uns als Gemeinde, und für alle Christen in der ganzen Welt. Wir haben den Versammlungsraum für das Fest vorbereitet. Ich schaue in die Gesichter der Kinder, die vor Freude strahlen. Jesus lebt!
Was sagen uns diese Geschichten? Wie berühren sie mich persönlich? Ich muss erkennen dass Ostern ist nicht nur eine Woche im Jahr. Ostern ist jeden Tag in deinem Herzen.