Die Vorlesung ist vorbei. Ich verlasse den Raum. Endlich bekomme ich frische Luft.
Ich gehe durch das Getümmel in Richtung Schottentor. Feierabend. Jetzt kann ich dem Lernen eine kurze Pause geben und mich entspannen. Der Lärm der Stadt wimmelt um mich herum: Die Rushhour hat begonnen. Jeder ist beschäftigt, jeder hat viel zu tun; jeder möchte nach Hause. Feierabend. Ein Bettler bittet mich um einen Euro, und ein Verkäufer versucht mir einen Flyer in die Hand zu drücken. Der Duft des nahe gelegenen Kebab-Ladens macht mir den Mund wässrig. Die Straßenbahn rattert vorbei. Alle haben es eilig.
Meine Gedanken sind bei der letzten Vorlesung, aber jetzt möchte ich nur noch nach Hause und meine Ruhe haben.
Auf dem Heimweg hole ich mir in einem Supermarkt schnell noch etwas zum Essen. Als ich durch den Eingang in das Einkaufszentrum gehe, fällt mir eine Werbung ins Auge: “Oster Discount nicht verpassen”. Ostern? Ach ja! Stimmt. Jetzt kann ich billige, Hart-gekochte-Eier kaufen.
Ostern. Sollte mich das Wort nicht zum Nachdenken über etwas Tieferes anregen? In dem ganzen Stress habe ich fast vergessen, dass es in zwei Wochen Ostern ist. Das stoppt mein Gedankenkarussell für einen Moment.
Ostern - ein interessantes Wort. Das Wort “Ostern” erinnert uns auch an jenen Morgen vor fast 2000 Jahren, als das Grab leer gefunden worden war. Wir lesen in der Bibel, wie früh am Morgen, als die Sonne aufging, das leere Grab entdeckt wurde. Der Stern im Osten führte die Könige zu Jesus. So erinnert uns das Wort “Ostern” an diesen Sonnenaufgang und die Auferstehung Christi.
Aber was bedeutet Ostern für mich? Geht nicht die wahre Bedeutung vom Wort “Ostern” im Alltagsgetriebe verloren? Dazu habe ich das Folgende von John Lennox gelesen.
“Wenn wir die Ersten Christen fragen würden, würden sie sofort antworten, dass die Auferstehung Jesu am Wichtigsten war. In der Tat behaupteten sie, dass der eigentliche Grund und Zweck der Existenz darin besteht, Zeugnis von der Auferstehung Christi zu geben. Das heißt, die Kirche wurde nicht gegründet, um ein politisches Programm oder eine Kampagne zur moralischen Erneuerung zu verkünden, sondern in erster Linie, um die Tatsache zu bezeugen, dass Gott in die Geschichte eingegriffen und Christus von den Toten auferweckt hat und dass man in seinem Namen die Vergebung der Sünden empfangen kann.”
Diese Worte sind mir sehr wichtig. Wir sind alle sehr beschäftigt. Wir haben alle sehr viel zu tun. Wir machen uns alle selber viel Stress. Es ist aber wichtig, innezuhalten und den Sonnenaufgang zu erwarten - und auf Ostern zu zugehen.
Ostern kommt immer nach dem, worüber Mensch nicht so gerne nachdenkt, nicht so gerne hinsieht. Der Tod, noch schlimmer das Sterben als Prozess. Ich selber bin gewiss kein Held darin, dem Sterbeprozess ins Auge zu schauen.
Gerne verschließe ich davor die Augen, wenn Menschen ihrem Leben beraubt werden, banal durch Einschränkungen und Hetze. Brutal durch Gefängnis, Folter, Hinrichtung, Ermordung.
Jesus und mit ihm viele viele andere nach (und vor) ihm haben den von anderen gewollten Leidens- und Todesweg gehen müssen (auf meinen Bücherstapel liegt wieder Etty Hillesum).
Und doch scheint es eine Wahrheit zu sein, wer das Totenreich durchschritten hat, aufersteht, der wird wahrlich ewig leben. Und ich glaube, dieser Prozess kann auch schon lebend erfahren werden, wenn Mensch gezwungen wird, dem Tod ins Auge zu sehen und erkennt, dass keine Feindschaft herrscht in dem was ist und ewig bleibt.
Ostern wird zur Party wenn Mensch nicht bereit ist zu sterben. Tatsächlich, wie sinnbildlich.